Farbensehen und Farbsinnstörungen

Das menschliche Auge ist in der Lage weit über 150 Farben zu unterscheiden und etwa 1000 Farbnuancierungen zu registrieren. Der normale Farbsinn kann praktisch fast alle Farben aus den Komponenten Rot, Grün und Blau durch geeignete Mischung herstellen.
Abweichungen des Farbensinns werden volkstümlich „Farbenblindheit“ genannt. Etwa 8% der Männer und 0,5% der Frauen haben eine Störung des Farbsehens. Bei der Qualität des Farbensehens gibt es fließende Übergänge von den völligen Farbentüchtigen über Farbenschwache bis hin zu den absolut Farbenblinden, die nur noch „schwarz-weiß“ sehen.

Wegen des unglücklichen Ausdrucks „Farbenblindheit“ stellt sich der Laie oft vor, dass der Betroffene die farbigen Gegenstände nicht sähe, also für sie „blind“ sei. Der Farbenuntüchtige sieht farbige Gegenstände ebenfalls, aber in einer anderen Farbe als der Farbentüchtige. Es kommt zu Verwechslungen z.B. bei Signallichtern, reifen und unreifen Erdbeeren und bei Textilien. Er weiß, dass Blut rot und nicht grün ist und das der Mensch bei Gemütserregungen erröten und nicht ergrünen kann, dass die Sonne rot untergeht und Gras grün ist. Oft sind ihm auch sekundäre Hilfsmittel und Anhaltspunkte gegeben. Er weiß, dass bei den Lichtsignalen des Straßenverkehrs das Rot oben, Grün unten und Gelb in der Mitte angeordnet ist. Sobald jedoch die Farbe losgelöst von den bekannten Bedingungen erscheint, wird der Farbenuntüchtige unsicher und macht Fehler.

Wie sieht ein Farbenblinder seine Welt?

Auf dem linken Bild sind die Farben abgebildet, wie sie ein Farbentüchtiger sieht, auf dem Bild rechts, wie sie ein Mensch mit Rot-Grünschwäche sehen würde. Wenn wir den Betroffenen auf ein Erdbeerfeld schicken würden mit der Bitte, uns Erdbeeren zu pflücken, würde er stolz mit einem Korb voller reifer, halbreifer und unreifer Früchte zurückkommen.
Für den Straßenverkehr spielt das Farbensehen entgegen landläufiger Meinung nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich die totale Farbenblindheit (Achromasie) stellt eine wesentliche Beeinträchtigung dar. Da aber die Betroffenen bei Tag eine herabgesetzte Sehschärfe auf 10% des Normalen haben, können totale Farbenblinde selber nicht aktiv Auto fahren. Die Grünschwäche spielt im Straßenverkehr praktisch keine Rolle, während die Rotblinden immerhin einer gewissen Gefährdung ausgesetzt sind, beispielsweise wenn ein vorausfahrendes Fahrzeug bei Nacht verschmutzte Rücklichter hat. Da das Farbenspektrum, d.h. das Sehen der Farben, beim Rotblinden erst später einsetzt, wird seine Netzhaut durch ein schwaches Rot noch gar nicht erregt, sondern erst bei wesentlich kräftigerem Rot. Hier hat die Einführung der dritten Bremsleuchte bei Kraftfahrzeugen zu einer deutlichen Zunahme der Sicherheit geführt. Rotgestörte sollten insbesondere nachts entsprechend vorsichtiger und mit mehr Sicherheitsabstand fahren.

Abb. 1  Normales Farbsehen Abb. 2  Nachtsehen bei Rot-Grünschwäche

Entgegen der häufig geäußerten Ansicht haben Farbenblinde oder -schwache an Ampeln nur selten Schwierigkeiten, zumal sie wissen oder wissen sollten, dass oben rot und unten grün ist. Als Farbsinngestörte dürfen sie am Kraftfahrzeugverkehr uneingeschränkt teilnehmen. Es gibt jedoch Ausnahmen nämlich beim Führen von großen LKWs (Fahrerlaubnisklasse C und D) und bei der Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Taxi, Busse, Bahn, etc.). Hier sind nur leichte Farbsinnstörungen (Anomaliequotient 0,5) erlaubt.

Normal Farbenblind Normal Farbenblind

Strenger sind die Anforderungen hingegen bei der Schiffahrt. Man darf nicht einmal einen Segel- oder einen Motorbootschein erwerben, wenn man nicht die volle Farbtüchtigkeit an mindestens zwei Farbprüfsysteme nachgewiesen hat. Auch bei der Luftfahrt müssen Bewerber über ein normales Farbensehen verfügen, oder farbensicher sein.

Aber auch andere Berufe setzen ein intaktes Farbensehen voraus. Vor allem Schwachstromelektriker, Chemiker, Polizisten, Färber, Stoffdesigner etc. brauchen zur korrekten Ausübung ihres Berufes ein intaktes Farbensehen. Der Augenarzt muss deshalb einen Patienten, bei dem eine Farbuntüchtigkeit festgestellt wird, darüber aufklären, dass er für gewisse Berufe ungeeignet ist und ihn auf die Einschränkungen im Straßenverkehr hinweisen (z.B. das reduzierte Sehen der Rücklichter bei Rotschwachen oder Rotblinden.)

Zur Untersuchung des Farbensinnes verwendet man heute vorwiegend Farbtafeln z.B. nach Ishihara oder Velhagen. Diese beruhen auf dem Prinzip der Verwechslungsfarben. Diese Farbteste bestehen aus lauter bunten Tupfen, aus denen der Farbentüchtige Zahlen herauslesen kann.

Die angeborenen Farbfehlsichtigkeiten können nur erkannt aber nicht behandelt werden. Viele Menschen wissen bis ins hohe Alter nichts von ihrer Farbschwäche. Leider wird man aus logischen Gründen einem Farbenuntüchtigen nie demonstrieren können wie schön ein Farbentüchtiger seine Umwelt sieht und wie viele Zusatzinformationen einem Farbenblinden durch diesen Mangel verloren gehen.